Deine Cousine und Casino Blackout – Zusatzshow!



„Auf sie mit Gebrüll / Du warst viel zu lange still!“ Im Titeltrack des gleichnamigen Albums „Attacke“ von Deine Cousine sind gleich zwei Wahrheiten über Frontfrau Ina Bredehorn versteckt. Erstens: Ihre Musik bedeutet Energie und Krawall, Deine Cousine ist selbstbewusst, laut, das Gegenteil von zaghaft. Und trotzdem reflektiert, „viel zu lange still“ auch die Jahre, in denen die Sängerin ihr großes Ziel kurz mal aus den Augen verloren hatte.

Am Anfang war das Dorf. Im rauen Norden, am Jadebusen bei Jever, wächst Ina auf. Weshalb sie als eine der Wenigen den Namen des Bieres richtig ausspricht. Ihre Kindheit verbringt Ina im Wohnwagen ihrer Oma am Dangaster Strand und auf kleinen Schultheater- und Chorbühnen. Dort gefällt es ihr vor allem, weil sie endlich Aufmerksamkeit bekommt – allerdings nicht ausschließlich in Form von Lob. „Schrei nicht so!“ ist der Satz, der zu Inas Kindheit gehört wie die stundenlangen Streifzüge übers Feld, auf der Suche nach Abenteuern, wie Reithallen-Feten und das „Ausborgen“ der Mofas ihres großen Bruders.

Mit 14 gründet Ina ihre erste Band. Blues-Rock-Coversongs und eigene Lieder machen sie schnell zur Provinzberühmtheit, die bekannt ist für ihre wilden Auftritte. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Deine Cousine wirkt auf der Bühne wie ein Kind ohne Aufsicht, das immer den einen Schritt zu weit geht – auch wenn es weiß, dass es dafür Ärger bekommen wird.

Doch selbst die wildeste Bühnenheldin verlässt hin und wieder mal der Mut. Nach zwei Jahren Dauerauftritt bekommt Ina Stimmprobleme. Es folgen stille, vernünftige Jahre. In einer Arbeiterfamilie groß geworden, legt sie nicht viel Wert auf Abitur oder Studium, aber eine solide Ausbildung muss man machen, um im Leben klarzukommen, nicht? Ina lässt sich zur Industriemechanikerin ausbilden und macht danach in der immer noch rauen Männerwelt sogar den Meistertitel. Doch die Musik geht ihr nicht aus dem Kopf. Wenn ihre Kollegen „Hier kommt Alex“ von den Toten Hosen aufdrehen, packt Ina eine seltsame Mischung aus Melancholie und Bühnenfieber. Sie mag die Arbeit in der Werkstatt, das Schrauben, Schweißen und Bohren, aber sie will eben auch die Musik. Sie will endlich wieder über die Bühne toben, will Geschichten erzählen, die ehrlich sind, die sie erlebt hat und vor allem noch erleben will. Die Dinge, die man seiner Cousine am Frühstückstisch erzählen möchte. Ohne viele Schnörkel oder darauf zu achten, ob man damit gerade den Zeitgeist erwischt.

Aber die Bühne ist weit weg. Jahrelang kämpfen Angst und Hoffnung miteinander, eines Tages gewinnt der Mut. Ina kündigt ihren Job und zieht nach Hamburg. „Attacke!“ Gut, am Anfang bedeutet „Attacke“ vor allem, sich mit Kellnerjobs über Wasser zu halten. Aber Ina ist jetzt wild entschlossen. Sie bringt sich selbst Gitarre- und Klavierspielen bei und schreibt unzählige Songs. Als sie 2014 den von Udo Lindenberg begründeten Panikpreis in der Kategorie „Newcomer Band“ gewinnt, wird der Rockheld auf sie aufmerksam. Die beiden freunden sich an, nächtelang sprechen Udo und sie über das Leben, die Musik, Rockstarsehnsucht und Provinzherzen.

Vier Jahre später: Ina ist mittlerweile fester Bestandteil der Lindenberg-Band, begleitet ihn auf seinen Stadiontourneen und singt auf seinem aktuellen MTV Unplugged II-Album den Song „Du knallst in mein Leben“ mit ihm.

Und auch mit ihrer eigenen Musik wagt sie den nächsten großen Schritt: Endlich erscheint ihr erstes Album. Mit dem beweist sie nicht nur, dass sie zu Recht alles auf eine Karte gesetzt hat. Sie demonstriert auch: Rockmusik ist noch lange nicht tot. Rockmusik fängt gerade wieder an, interessant zu werden. Deine Cousine pustet das angestaubte Image mit Leichtigkeit weg und macht Hoffnung darauf, dass bald auch mal wieder ein Frauenname auf einem Festivalplakat zu finden sein könnte. Wieso gerade ihrer? Weil sie aufrichtig ist, echt und klar. Sie ist ein junger, weiblicher Campino, wie ihn der Rock gerade so dringend braucht. Ihre Songs erzählen vom Weg des Zweifelns, vom Aufraffen, Nicht-unterkriegen-lassen und dieser speziellen Magie von Nächten in schummrigem Licht, irgendwo zwischen Kiezlaternen und Dorftresen. Für Ina hat sich der Weg in die Stadt gelohnt, sie lebt ihren Traum. Und trotzdem bleibt das Wahl-Großstadtkind im Herzen für immer Dorftochter. „Attacke – denn dein Wille ist ne Waffe“. Deine Cousine will noch ganz viel.

Photocredit: Julia Schwendner

Am
30.11.2019