Fortuna Ehrenfeld und Gäste



Das neue Album „Helm ab zum Gebet“ von Fortuna Ehrenfeld klingt so dermaßen lässig und unangestrengt, als sei das alles gar nix Besonderes. Als wäre es das Leichteste der Welt, sein Herz für Pop, Poesie und Abseitiges brennen zu lassen und damit die Lunte am ganz großen Gefühlsrad anzuzünden. Poesie ohne Kitsch. Gefühl ohne Kalkül. Musikalische Präzision ohne Muckerallüren. Und eben auch eine ordentliche Portion Weirdness, Wahnsinn und künstlerisches Risiko. Wenn der Bogen von Tresenballaden bis zu Dancebeats reicht, von Dada bis Weill, vom Stecknadelfall bis zur Blaskapelle, und wenn das alles gesungen wird von einem Typen, der im Pyjama und mit Bärentatzenschuhen auf die Bühne kommt, kann es eine Band ganz schnell vom Drahtseil fegen. Doch Fortuna Ehrenfeld wackeln nicht und zaudern nicht. Sondern liefern ab. Mit gradem Rücken. Mit großem Herz. Und mit einem Extrapack Flausen, der ihnen schön chaotisch durchs Oberstübchen flattert.

Genau wie die vorherigen Alben hat auch „Helm ab zum Gebet“ wieder Unmengen an lyrischen Momenten in petto, die keiner so nonchalant formulieren kann wie Martin Bechler: Das Sehnen nach Sinn. Das Feiern des Augenblicks. Der Torkel nachts um halb vier vor der Kneipe. Und, natürlich, die Liebe und die Leidenschaft und die Romantik und all das, was schon viel zu oft schlecht besungen wurde, aber immer noch viel zu selten gut. Fortuna Ehrenfeld wissen, wie schnell man in diesem Metier vom Emotionalen ins Pathetische kippen kann. Deshalb sorgen sie mit genau gesetzten Brüchen dafür, dass hier keiner vor Ergriffenheit den sterbenden Schwan geben muss. Ein Beispiel von vielen ist der NDW-Klopper „Das ist Punk, das raffst du nie“, der einem in bester Trio-Tradition vors Schienbein tritt. Interessanterweise entwertet das Infantile und das Irritierende die großen Gefühlsmomente dieser Platte nicht, sondern lässt sie im Gegenteil noch echter und noch wahrer wirken. Martin Bechler ist, wenn man so will, der Liedermacher mit dem Mittelfinger.

Wenn sich schon die Texte gerne mal in die Kurve legen, mit Fragezeichen um sich werfen, einen am Kragen packen, in den Arm nehmen und ordentlich rühren und schütteln, soll die Musik es einem nicht auch noch schwer machen. Sondern lieber begleiten, akzentuieren, den passenden Rahmen setzen. Das heißt nicht, dass man hier Easy Listening für den kulturell saturierten Indiepop-Fan geliefert bekommt. Es ist vielmehr die hohe Kunst des Weg- und Auslassens, die Fortuna Ehrenfeld pflegen. So entsteht Größe durch Reduktion und so werden Fortuna Ehrenfeld endgültig zu einer Band, die nicht nur lyrisch, sondern auch musikalisch klingt wie keine andere.

Photocredit: Sebastian Kolodziejczyk

Am
30.09.2019