Grillmaster Flash und Lässing



Das Stadion, einerseits Sehnsuchtsort, in dem Jugendträume wahr werden, entweder auf dem Spielfeld stehend, mit dem Trikot seines Lieblingsvereins am Leib oder mit der Gitarre um den Hals, auf einer Bühne vor Zehntausenden jubelnden Menschen. Ein Stadionkonzert, mehr geht als Rockmusiker nicht, wer eine Arena ausverkauft, der hat seinen Thron im Rockolymp sicher. Das Gegenteil davon, und da ist man bei Grillmaster Flash, sind die Jugendfreizeitheime, Kulturzentren und kleinen Rockclubs. Genau da kommt Grillmaster Flash her, da will er sein, Jeansjacke, Chucks, selbst gedrehte, Dosenbier, ein Hauch jugendlicher Punk bleibt stets haften, auch wenn die Musik ins Stadion strebt.

Grillmaster Flash, Jahrgang 1983, hat von den 80er Jahren bewusst nicht viel mitbekommen. Das hinderte ihn allerdings nicht daran mit „Stadion“ ein Album aufzunehmen, welches Erinnerungen an eine Zeit wach ruft, als Musik noch auf Kassetten überspielt werden musste, die nicht Tapes hießen, um sie unterwegs auf dem Walkman hören zu können. Meistens auf dem Fahrrad, gerne entlang einer wenig befahrenden Bundesstraße auf dem Weg zu einem Konzert, in der nächstgelegenen größeren Stadt, natürlich mit Regen und Wind von vorne, wie es in Norddeutschland üblich ist. Einer dieser kleinen Orte könnte Sottrum, zwischen Bremen und Hamburg sein, der im gleichnamigen Lied träumerisch als Rock ’n‘ Roll Sehnsuchtsort skizziert wird. Die Überhöhung von vermeidlich langweiligen Landstrichen, deren Bewohner und Menschen allgemein, zieht sich wie ein roter Faden durch „Stadion“.

Im Stück „Hängen mit den Jungs“ werden die simplen Dinge des Lebens glorifiziert, Wochenende, Musik, Bier, Freundschaft. Es besteht, bei jedem von uns, eine Dringlichkeit, dem Alltag zu entkommen. „Bier & Action“, das Eröffnungsstück beschreibt ergänzend ein zutiefst ehrliches Bedürfnis. Die wunderbar eingängige Rockballade „Zsa Zsa Gabor“ bedient sich allerhand Liebesfloskeln und funktioniert dennoch als schmachtendes Liebeslied. „Jonny gibt nicht auf“ erzählt sympathisch vom Scheitern eines Musikers, der nicht aufgibt, sondern weitermacht und dabei sein Rückgrat behält.

Grillmaster Flash begegnet seinen Songfiguren stets mit Empathie, weil er seinen Charakteren niemals einer Blöße oder der Lächerlichkeit aussetzt. Seine Helden scheitern mit Würde. Es ist ein tragisch-komisches Phänomen, Grilli schafft auf „Stadion“ den Balanceakt zwischen humoristischen Texten, die unter der Oberfläche einen ernsten Tenor behalten und deswegen niemals in Klamauk abdriften. Vielmehr werden wir aufgefordert, nicht jede Kleinigkeit zu ernst zu nehmen. Es ist okay zu scheitern und sogar Spaß dabei zu haben. Zwar wird das Gegenteil tagtäglich im Fernsehen und im Internet suggeriert, dabei wäre es viel charmanter, die komischen Seiten des Nichterfolges zu erkennen und zu feiern.

„Stadion“ speist sich musikalisch aus klassischem amerikanischen Songwriter Rock der späten 70er- und frühen 80er-Jahre, nimmt Einflüsse von Powerpop und frühem Alternative Rock mit, scheut weder Saxofon, noch Hairmetalgitarrensoli (u. a. gespielt von Kumpel Ibrahim Lässing), geschweige denn Orgeln und behält gleichzeitig, vor allem textlich, seinen Ursprung in der norddeutschen Provinz – „Bremen Nord, Baby.“ Wer sich auf dem Album nostalgische Gefühle erhofft, wird schnell erfahren, ein Zurück-in-die-Zukunft-Gefühl wird vom Künstler und seiner Band nicht bedient. Vielmehr heißt es an einer Stelle auf „Stadion“: „No Future ist ab morgen!“ und darum „sei dabei oder sei gar nichts.“

Lässing schreibt deutsche Songs, die eine ansatzweise optimistische Stimmung verbreiten, da ihn das runterzieht, wenn alle immer so rumheulen. Vollgas, aber mit einem Auge für Details und kleine Schrulligkeiten. Er klaut vorzugsweise von Bands wie Weezer, Münchner Freiheit, Nirvana, Die Ärzte und Elvis Costello. Zu den behandelten Themen zählen Teenage-Angst, Loser-Romantik, Pop-Nostalgie, Verharmlosung von Herzschmerz und Entfremdung im Allgemeinen. Große Gefühle eben. Wer ein Genre braucht, nimmt bitte „Loser-Rock“. (Der Begriff „Powerpop“ ist nämlich aus den 70ern und den kennt keiner mehr und die meisten Leute denken bei dem Wort „Pop“ nicht an verzerrte Gitarren, das bringt dann Missverständnisse.)

Photocredit: Pressefotofreigabe von Grand Hotel van Cleef (Grillmaster Flash) und Fett Music (Lässing)

Am
10.01.2019