Alles wird gut. Aber wird es das auch?
Am 01.07.2022 geht die junge Künstlerin Julia Scheeser mit ihrem Album „Silbertablett“ genau dieser Frage auf den Grund und serviert eine Sammlung persönlicher und mit Liebe zum Detail produzierter Deutschpop-Songs, die sich den Themen einer Mittzwanzigerin
stellen.
Julia Scheeser wurde die Musik sprichwörtlich in die Wiege gelegt. Von klein auf umgeben von Musik, Instrumenten, Kabeln und Mikrofonen, ebnen ihre Eltern – die Mutter Sängerin und Gesangsdozentin, der Vater Keyboarder und Produzent – ihr den Weg, um selbst Musikerin zu werden. Ganz natürlich wächst sie in die Rolle der Profi-Sängerin, fängt früh an, als Studiosängerin zu arbeiten und studiert später selbst Musik.
Unter Zeitdruck abzuliefern und einen guten Job zu machen, das ist Julia dann irgendwann gewohnt. Nicht ohne Grund wird sie für zahlreiche Synchron-Gesangsrollen engagiert und es finden sich viele Artikel über ihre Arbeit für Mega-Produktionen wie Disney. Ihr erstes eigenes Album „Kopfkino“ wird von Peter Plate (Rosenstolz, Sarah Connor etc.) produziert.
Ab März 2020 kommt dann alles anders. Lockdown, pandemie-bedingt durchkreuzte Pläne und zu allem Überfluss vom Freund vor die Tür gesetzt. Das, was Julia Scheeser als absoluten Tiefpunkt bezeichnet, ist ein Anfang. Auf einmal war da etwas, das sie lange so nicht kannte. Zeit. Luft. Die Frage danach, was sie denn selbst eigentlich will.
Mit ihrem Mitmusiker & Partner in Crime Elias Kunz schließt sie sich ein und beginnt, ihre Gefühle in Musik zu gießen. Beide nehmen sich Zeit, tüfteln, basteln, produzieren und verwerfen wieder. Sie samplen in kindlicher Begeisterung Fahrradklingeln oder verfremden den Sound von Schritten im
Schnee. Sie hieven ein altes Upright Piano in die WG, dessen perfekt unperfekter Sound sich durch das ganze Album zieht. Hier geht es um Musik und auf keinen Fall weniger.
In ihren Songs verarbeitet Julia vor allem selbst Erlebtes. Ihre Gedanken bringt sie mit klarer Stimme auf den Punkt, verwebt ihre Geschichten in zeitgemäße Pop-Arrangements und legt bei der Produktion stets Wert auf einen echten Bandsound, der atmen kann. Soundlich orientiert sich die hervorragende Sängerin an Vorbildern wie den frühen Alben der Band „Juli“ mit aktuellen Deutschpop-Einflüssen á la „Madeleine Juno“.
„Ich such noch nach ’nem Weg für mich, denn diese Welt versteh ich nicht“ singt sie im Song „Alles gut“, der gemeinsam mit Produzent Mark Smith (Johannes Oerding) entstanden ist. Sie ergründet ihr Urvertrauen in die Welt, das ihr vom Elternhaus mitgegeben wurde, thematisiert das Erwachsenwerden und die Frage, ob denn wirklich alles gut wird, wenn man sich denn so die Welt anschaut.
Der dunkel anmutende Song „Pflaster“ räumt eine harte Trennung auf. Er ist gezeichnet vom Gefühl, sich ausgenutzt zu fühlen und dem Wunsch abzuschließen, wenn man damit überrumpelt wird, dass es vorbei ist. Die Instrumentierung ist reduziert, Julia Scheesers Gesang durchdringend und roh. „Für den Song haben wir meine erste Demo-Gesangsaufnahme genommen, die wir mit einem ganz einfachen Mikro recorded haben“, erzählt sie. „Wir haben später versucht, den Gesang nochmal aufzunehmen, aber keine Aufnahme hat das Gefühl so vermittelt wie das Demo.“
Das filigrane Fingerpicking der Gitarre in „Kommen und gehen“ vertont die Unsicherheiten einer Fernbeziehung und all die Gedanken, die während der zahlreichen allein verbrachten Stunden im Zug in den Kopf schießen. Der warme Sound des Upright-Pianos unterstreicht den bittersüßen Schmerz einer Beziehung, die vielleicht kein Happy End haben kann und Julia singt zart: „Ich glaub, es reicht nicht, wenn wir nur kommen und gehen.“
Abgerundet wird das Album durch den Feature-Track “Legendär“, bei dem sie mit dem Deutsch-Französischen Rapper Crewkid („Passepartout“) noch einmal eine andere Seite von sich zeigt. Der tanzbare Track befasst sich selbstkritisch mit unserem Bedürfnis, bloß nichts verpassen und besonders sein zu wollen.
Julia Scheeser sagt einen bemerkenswerten Satz über die Zeit der Albumproduktion: Sie habe sich ihre Kunst und die Musik zu sich zurückgeholt. Vielleicht der Beweis dafür, dass doch irgendwie immer alles gut werden kann.