Sehnsucht nach Berührung, Ekstase, Nähe, Lärm. Musikalisch ist das mehr als zwei Jahre nach dem Vorgänger „Nackt“ erscheinende Album „Rot“ von Levin Goes Lightly epischer und filigraner zugleich. Levin wollte endlich weg vom Ein-Mann-Band-Image, und träumte vor allem während der Isolation der Corona-Zeit – ohne Auftritte und gemeinsamen Proben – von lauter treibender Live-Musik mit epischen, großen Momenten, lauten Gitarren, echten Drums, tieferen Bässen. Kollektiv als Band wurde kontinuierlich mit Thomas Zehnle und Paul Schwarz, soweit es pandemie-bedingt möglich war, an den Songs gearbeitet.
Dieser Wunsch nach mehr Härte führte Levin Stadler, der die Songtexte weiterhin alleine schreibt, zu intimeren, aber ebenso expliziten und direkten Lyrics („Dreh ich mich und beuge mich, setz mir deinen Schuss, gib mir deinen Kuss, Liebhaber“). Zum ersten Mal sind auf dem Album beide Sprachen, deutsch und englisch, vertreten. Nach mehreren Alben ausschließlich auf englisch, suchte Levin Goes Lightly mit „Nackt“ das Ungewohnte mit erstmalig deutschen Texten, die viel vager blieben. Die Suche nach neuen Wegen und Umwegen, das Spiel mit dem Bekannten und dem Neuen wird auch auf der Textebene weitergetrieben.
„Rot“ ist deutlich erkennbar das bisher persönlichste und intimste Werk, darum auch die Wahl des Titels mit der am stärksten durch Gefühle aufgeladenen Farbe. Kurz vor der Lockdown-Isolation ging die langjährige Beziehung des Sängers in die Brüche, auch aufgrund dieser existentiellen Erfahrung des Alleinseins behandeln die meisten Songs des Albums die Themen Wut, Liebe und Verlangen.
Zwei der Lieder entstanden schon vor Pandemie, während des sich abzeichnenden Endes der Beziehung, in einem Hinterhof-Studio in Leipzig, das die Band im heißen Sommer 2019 bezogen hatte. In der Nähe der Eisenbahnstraße, gleich bei einer kleinen Bude mit dem schönen Namen Speedy-Corner, in der es am Abend nach Urin roch und in der man Flüssigkeiten auf der Straße vorfand, die nach zerflossenen Körpern aussahen (Flirrt das Licht von unseren Körpern / Zuviel Hitze für uns zwei). Das Ende der Beziehung war schon jetzt greifbar nahe. (Und später, ja später möchte ich echte Tränen sehen / Und die Wände, die Wände sprechen immer nur von Dir…).
Das von Levin Stadler selbst gestaltete Artwork ist eine doppelbödige Hommage an die eigene Herkunft: Auf dem Backcover ist eine Fotografie der Mutter des Sängers zu sehen, fotografiert von seinem Vater 1978. Auf dem Cover wiederum ist der Sänger selbst, in der gleichen Pose und in nahezu perfekter Imitation des dunklen Gothic Make Ups der Mutter verwechselnd ähnlich. Überhaupt scheint die Musik des Künstlers stark mit dieser Zeit verwandt zu sein. Es fallen Parallelen zu Roxy Music, Robert Görl und The Cure auf – Alles Musik mit der Levin aufwuchs und die ihn bis heute beeinflußt. Dennoch: Wo die Songs der vorherigen Alben oft Retro- und Vintage-Referenzen hatten (Suicide, Bowie, DAF etc.) haben die neuen ein eigenständiges, zeitgemäßes Gewand, das sozusagen als die moderne Konsequenz der musikalischen Ursprünge von LGL wahrgenommen werden kann.
Das Album „Rot“ umfasst vom melancholischen Abba Cover „Knowing Me, Knowing You“ bis zum queeren Empowerment Song „All Cats Are Beautiful“ unterschiedlichste Stimmungen („But nothing will change me, I’m a cat and nothing will touch me at all“).