Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist neu in New Found Land?
Anna Roxenholt ist keine Unbekannte. Schon 2009 erschien ihr Debut „We All Die“ in ihrer Heimat Schweden, bereits ein Jahr später folgte „The Bell“ auf ihrem eigenen Label Fixe Records und bescherte ihr auch international erste Erfolge. In Deutschland playlisteten NDR 2, RBB, radioeins und Motor.FM die Songs „Human“ und „Holes“, andere Songs fanden sich als Soundtrack in US-amerikanischen TV-Serien und Kinofilmen wieder. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte an der man unbekümmert und unbeirrt hätte weiter schreiben können. Doch etwas fühlte sich nicht richtig an. Am Beginn des Aufnahmeprozesses der (hier vorliegenden) dritten Platte verstärkte sich bei Anna das Gefühl, dass etwas geändert werden muss. Zehn Tage lang nahm sie, die einst Jazz und Saxophon studierte, im legendären Berliner Studio „Chez Chérie“ mit ihren Musikern auf. Doch die weitere Reise trat sie dann allein an und verbarrikadierte sich im Haus ihrer Mutter irgendwo auf dem Land; irgendwo in Schweden.
„Ich kochte mir jeden Morgen einen riesigen Pott Kaffee und verzog mich dann, um weiter an den Songs zu arbeiten, neue Elemente zu programmieren und mich den Overdubs zu widmen.“, sagt Anna rückblickend über die intensivste Erfahrung in ihrer bisherigen musikalischen Biografie. Der Ortswechsel ermöglichte wichtiges Reflektieren und brachte schließlich Klarheit. „Als ich da so saß, mit meinem Kaffee und völlig versunken in meiner Arbeit, merkte ich: New Found Land bin alleine ich.“ Das lose Deutsch/Schwedische Bandkollektiv New Found Land existiert so nicht mehr. Und eigentlich war dies von Beginn an so, nur damals war die Künstlerin von einer solchen Einsicht weit entfernt. „New Found Land war immer mein Projekt.“, so Anna. „Aber ich brauchte wohl eine Art Kokon um mich herum; ein Schutz der jetzt nicht mehr nötig ist.“ Als einfaches Abstreifen darf man sich diesen Prozess allerdings nicht vorstellen; viel mehr als ein Freistrampeln, denn für die neugewonnene Freiheit mussten auch Opfer gebracht werden: von ihrem Ehemann trennte sich Anna – musikalisch; auch um die private Beziehung zu retten. „Es war ein langer Test für uns, aber wir haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen und sind jetzt als Paar harmonischer denn je.“ Symbolisch dafür leiht er ihr im nachdenklichen „A Song We Never Learn To Sing“ noch einmal seine Stimme. Viel Songs auf dem Album beschäftigen sich mit eben dieser Entwicklung. „Enttäuschung“, sagt Anna nicht ohne Wehmut, „zieht sich wie ein feiner roter Faden durch die neuen Songs.“ Musikalisch kommt das neue Album fokussierter daher und hat die Verspieltheit der Vorgänger gegen eine neue Klarheit eingetauscht. Das bisweilen fast hippie-eske Poesiealbum von „The Bell“ wurde beiseite gelegt, ein neues Buch wird aufgeschlagen und die Seiten werden mit starken, und manchmal ziemlich dunklen Farben gefüllt.
Berlin Neukölln ist zwar seit 2007 Annas Wahlheimat, hier fühlt sie sich als Mensch und als Künstlerin freier als in Schweden. Obwohl Sie betont, nicht krampfhaft der Berliner Szene angehören zu wollen, merkt man den Songs die Nuancen der Stadt an. „Ich habe mich in letzter Zeit intensiver mit elektronischer Musik beschäftigt.“, so die Künstlerin. Leute wie Gold Panda, Miracle Fortress oder Little Dragon bieten Inspiration – übrigens war Yukimi Annas beste Freundin in Teenagertagen. Depeche Mode ist nach wie vor eine ihrer Lieblingsbands und an Arcade Fire interessiert sie „die Freiheit die sie sich nehmen“. Mit Letzteren hat sie sicherlich den Mut, Regeln zu brechen gemeinsam, denn Anna Roxenholt lässt sich auch als Produzentin von vermeintlichen Richtlinien nicht einengen. „Wenn ich für einen Song eine Panflöte will, nehme ich eine Panflöte – mir egal ob das out ist.“, sagt Anna selbstbewusst und mit klaren Augen. Klar, der Titel des dritten Albums ist schlicht „New Found Land“. „I became your mirror“, singt sich die Künstlerin darauf beinahe in Rage („Mirror“). Nicht zufällig geschieht dies in der Vergangenheitsform, denn sie ist nicht mehr der Spiegel der anderen. Anna Roxenholt sieht sich selbst in ihrer unverfälschten Echtheit und hat sich selbst und uns einen neuen Blickwinkel verschafft. Insofern ist „New Found Land“ kein neu gefundenes Land, sondern die Entdeckung einer längst dagewesenen Kraft.
Links