Pictures



Das Begrüßenswerte am Altern, daran, daß die vorbeistolpernde Zeit irgendwann nur noch als kopfschüttelnd zu betrachtendes Gerumpel und Gerümpel sich präsentiert, ist ja, dass einem selbst nichts weiter übrig bleibt, als sich zurück zu lehnen. Auf der “Höhe der Zeit” zu bleiben, ist ohnehin niemandem vergönnt, und letztlich ist diese behauptete Höhe ja auch nur tiefste Niederung. Nun hat dieser Schritt nichts mit einem Marsch in die Gedankenfaulheit zu tun, vielmehr bedarf aus weiterhin stetiger Überprüfung eigener Paradigmen: was, beispielsweise, fällt dir bei den Worten classic rock ein? Abwinken, abwehren dürfte man.

Lapidar hieß es in Maze Exlers höflicher Anfrage, ob ich ein paar Zeilen zum neuen Album seiner Band PICTURES schreiben könnte: “Pictures werden ein neues Album veröffentlichen. Getreu dem Motto: classic rock.“ Was ist nun damit anzufangen? Classic Rock wird laut Enzyklopädie mit “elektromechanischen Instrumenten wie E-Gitarren“ hergestellt – wahnwitzig! Hilfreicher ist es sicherlich, den Begriff auf die, nun ja, ursprünglichen Disziplinen der “Rockmusik“ anzuwenden, ohne sich auf einen Kontinent oder auf ein Jahrzehnt zu beschränken.

PICTURES bestehen auch auf ihrem zweiten Album aus Markus Krieg am Bass, Ole Fries an Gitarre & Gesang sowie dem Schlagzeuger Michael Borwitzky und dem Sänger und Gitarristen Maze Exler. Die letzteren beiden spielten bereits zur Jahrtausendwende bei der höllisch abgehenden Rockband Union Youth, in deren Kometenschweif die Band selbst verglühen sollte.

Doch die Brachialität der adoleszenten Verzweiflung ist verklungen. Hier vereint sich Britpop aus einer Zeit, als man das Wort noch nicht kannte bzw. noch sagen durfte und Keyboards zum guten Ton gehörten, mit dem melodiösen Selbstverständnis der Flamin’ Groovies und dem sanften Größenwahn von Boston. In Verbindung mit der Wärme und Tiefe der Produktion von Ole Fries und Thies Neu wird zudem die melodische Ästhetik des Grunge in ein hypermelodisches Rock-Gewand gehüllt. “Can’t Stop Loving“ mit der tief bewegten ersten Zeile “I was sleeping for a thousand years“ präsentiert sich gar in Donovanscher (!) Unbeschwertheit, hingegen sich die Verschiebung des Soundempfindens in eine Siebzigerjahrehaftigkeit auch und besonders in der fleetwoodmacschen Aufgeräumtheit von z.B. “Because“ recht kristallklar zeigt. Überhaupt wird die Abgeschiedenheit des geheimnisvollen Bauernhauses, in das sich die Band für zwei Wochen zurückgezogen hat, in der Offenheit des Sounds geradezu sichtbar; macht sich die selbstgewählte Isolation in der Entspanntheit der aufspielenden Musiker bemerkbar. Wäre abgehangen ein nicht gar so verbranntes Wort, man müsste ihm für die Single “Little Girl“, einen famosen, ernsthaften Gitarrenpopsong, eine einmalige Benutzungsgenehmigung erteilen.

Nimm dies, Welt. Eine in sich ruhende, stimmige Gitarrenplatte ohne Zinnober.

Fotocredit: David Diwiak
Am
28.03.2019