The Picturebooks und The Loranes

Imaginary Horse Tour 2015



The Picturebooks hatten so etwas Ähnliches wie eine „Karriere vor der Karriere“. Zwei viel gelobte Veröffentlichungen auf Noisolution („List of People to Kill“, 2009 und „Artificial Tears“, 2010). Die Band tourte ununterbrochen, supportete einige Hochkaräter, spielte eigene Touren und zig Festivals, die Presse überschlug sich, doch die Jungs, die immer schon auf der Suche nach dem ganz eigenen Sound waren, zogen sich zurück. Sie machten zu zweit weiter, nahmen sich ganz bewusst eine Auszeit und kappten die Nabelschnur, kein Kontakt mehr zum Label, zu den einschlägigen Magazinen oder gar der Booking-Agentur. Zwei Jahre lang wurde keine aktuelle Musik mehr gehört, um sich bloß nicht von irgendwem oder irgendwas beeinflussen zu lassen. Erstmal keine Musik mehr machen, keine Musik mehr hören, den Kopf ganz frei bekommen von allem und dann neu anfangen. In der Garage neben dem Studio wurde an alten Yamahas und Harleys geschraubt, man fuhr viel Skateboard und flog in die USA, um sich einfach mal inspirieren zu lassen, ohne Ziel, ohne Druck.

Irgendwann ging es dann wieder los. Den Grundstock legte eine alte Gibson Gitarre von 1958, die Fynn in einem Pawn-Shop in der Nähe von Venice gekauft hatte. Das Ding war so schwer zu spielen und erinnerte so gar nicht an die Fender Mustang, die er vorher gespielt hatte. Schnell waren Songs da, Maddin schmiss seine Becken weg, besorgte sich möglichst große unorthodox klingende Trommeln, eine Schiffsglocke, baute sich aus allem möglichen Schrott Percussion. Die Songs kamen von alleine. Das meiste auf dem Album sind so etwas Ähnliches wie Improvisationen, sowohl musikalisch als auch textlich. Die Suche nach dem geeigneten Sound war auch schnell beendet, denn man entschloss sich, das Album nicht im eigenen Studio, sondern in der eigenen Chopper-Garage nebenan aufzunehmen. Hier klang es einfach schöner, einfacher und so schön verhallt. Es wurde nicht, wie sonst üblich, eng mikrofoniert und mit allen möglichen Studio-Tricks verfeinert. Die Jungs standen in der Garage, eng beieinander, die zwei alten Rundfunk-Mikrofone standen sieben Meter weit weg und dann wurde live eingespielt. Auch der Gesang wurde so aufgenommen. Nichts wurde gedoppelt oder beschönigt, der Hall auf der Platte ist der original Hall aus der Garage. Das Abmischen fand praktisch nicht statt, da man zwei Stereo-Mikrophone nicht wirklich aufwendig mischen muss. Es ging also nur darum die richtige Emotion, mit allen Fehlern und Sonderheiten aufs Band zu bringen.

Schnell war das Album aufgenommen und die Band zog es wieder auf die Bühne. Cedric Bixler Zavala (Sänger von At The Drive In, Mars Volta und Antemasque) war es, der ihnen den ersten Auftritt in den USA besorgte. Um diese Show im Harvard & Stone herum bauten sie fünf weitere Shows und los ging‘s. Halb Hollywood kam, um die Band zu sehen – aus fünf Shows wurden zweieinhalb Monate Tour. Schnell gab es Interesse von verschiedenen Labels und die Band unterschrieb beim Kalifornischen Kult-Label RidingEasy Records. Für Deutschland, Österreich und Schweiz blieb man beim bewährten Label Noisolution. Das Album wurde „Imaginary Horse“ getauft, benannt nach Fynns imaginärem Freund aus Kindertagen und schon weit vor der Veröffentlichung wurde getourt ohne Unterlass. Es folgte eine weitere sehr lange USA-Tour, zwei Monate Europa-Tour mit Kadavar, UK-und Europa-Tour mit The Answer, Schweden Tour mit Turbonegro, eigene UK-Tour, eine weitere US-Tour und viele Festivals, wie mehrere Desertfest Auftritte, Keep it Low Festival, Roadburn, The Great Escape. Und jetzt die „Imaginary Horse Tour 2015“ – ihre erste eigne Europa Tour, die sie nach UK, Deutschland, Schweden, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Österreich und in die Schweiz führt.

Es scheint, als wären The Loranes schon immer da gewesen. Jede Menge Querverweise in die Plattenkisten der Vergangenheit sind zu hören, jede Pose eine Seite aus dem großen Fotoband der Rockmusik und es klingt dennoch frisch und neu und eigen. Kaum zu glauben, dass dieses Trio aus Berlin neu ist, aber sie haben in der Vergangenheit teilweise schon mächtige Spuren hinterlassen – kein Wunder, wenn der Bassist Mammut heißt und mit seiner Ex-Band Kadavar schon als Urgetier der Hauptstadt-Szene gilt. Es geht um Rock. Zwischen Garage-Rock, Neo-Heavy-Blues und Psychedelic. Distortion galore, aber unter all der Verzerrung sind es doch die eingängigen Melodien, die wie ein riesiger Jurassic-Park-Ohrwurm aus den Speakern kriechen und sich festsetzen. Pop mit Widerhaken, dunkel und kratzig. Am 16.10. erscheint ihr Debütalbum „Trust“. Es kratzt, fuzzt und riecht förmlich nach Keller und glühenden Röhrenverstärkern.

Am
14.10.2015