Mit ihrer ersten EP »Hier mit dir« zeigten Tom Thaler & Basil 2014, wie sich Rapmusik auf elektronischen Beats anhören kann: Atmosphärisch-druckvolle Produktionen von Basil auf der einen Seite, reflektierte, nie verkopfte und manchmal viel zu ehrliche aber immer auf den Punkt gebrachte Texte von Tom Thaler auf der anderen Seite, gaben deutschem Rap neue und frische Impulse. Für den Nachfolger »Techno ist tödlich, Rap aber auch« ging das Duo im Jahr darauf noch einen Schritt weiter und vermischte HipHop mit noch technoideren House-Tunes. Als 2016 schließlich ein neues musikalisches Lebenszeichen in Form des Tracks »Alte Muster« erschien, war klar: Die Jungs haben sich und ihren Sound weiterentwickelt. »Dadurch, dass wir aus dem House kamen, aber in den letzten Jahren so eine Überflutung durch diese Musik stattgefunden hat, haben wir uns davon komplett entfernen wollen, ohne die Anknüpfungspunkte zu verlieren«, erzählen die beiden.
Wer »Malu«, das am 14.09.2017 erscheinende Debütalbum von Tom Thaler & Basil hört, der weiß: Das Vorhaben der Jungs ist geglückt. 2017 klingt das Duo zeitloser, ja, unabhängiger als vorher. Der runde Four-to-the-floor-Rhythmus der alten Songs ist aufgebrochen worden, die hohen BPM-Zahlen wurden runtergeschraubt, der Funk für sich entdeckt. Das Ergebnis: ein kantigerer Sound, der trotzdem nichts an Gefühl und Wärme eingebüßt hat. Atmosphärische Synthieflächen und drückende Basslines, die sich nicht vor aktuellen Clubtunes aus UK verstecken müssen, hier und da genau richtig vercheckt und ausgetüftelt daherkommen, aber sich immer wieder auch zurücknehmen, um Tom Thalers Texten den nötigen Raum zu geben.
Entstanden ist »Malu« nach dem Umzug von Tom Thaler & Basil in die Hauptstadt. Dort zogen die beiden nach dem abgeschlossenen Studium an der Popakademie Mannheim erst in eine gemeinsame WG und quartierten sich anschließend in den Riverside Studios ein. Ab und an geht es zum Arbeiten in eine Ferienwohnung nach Holland: Die »Schreiboase«, wie die beiden ihre niederländische Kreativzelle nennen. Gemeinsam denken sie dort auf Textfragmenten und Melodien herum, tauschen sich aus und probieren herum. Was neu ist: Oft gibt der Text den Beat vor – ganz anders als in der elektronischen Musik.
Wieder zurück in Berlin werden am WG-Küchentisch aus den losen Ideen erst Skizzen und im Studio schließlich richtige Tracks. Insgesamt arbeiten die beiden an über 30 Entwürfen – immer auf der Suche nach den richtigen Sounds und den besten Songs. Ende 2016 sind 12 davon schließlich fertig und fühlen sich wie ein Album an – ein Album, das das erste Berliner Jahr der beiden Jungs und insbesondere den perfekten Vibe der Sommermonate perfekt auf den Punkt bringt. Denn in der heißen Jahreszeit saugen Tom Thaler & Basil das Nachtleben in ihrer neuen Heimatstadt auf. Sie ziehen von Club zu Club und machen die Nacht zum Tag. Einer der Gründe, warum der neue Sound so viel clubbiger und überhaupt vielschichtiger klingt. »Wir hatten Bock, mit dem Album ganz unterschiedliche Facetten von uns zu zeigen – egal ob musikalisch oder textlich.«
Gleich zu Beginn begibt Tom Thaler sich auf die Suche nach diesen perfektem Rückzugsort fernab von den Verpflichtungen zwischen Finanzamt und Ex-Partnern. Ein Ort, an dem keine Regeln herrschen und es keine Normen gibt. Eben der »Fuchsbau« im Glück – ganz egal ob das die Cabrio-Fahrt mit Freunden oder Omas Couch ist. Tom weiß, wovon er redet, denn während die anderen sich stressen, schaltet er auf Durchzug. Der Ernst des Lebens kann warten. Wenn’s nach Tom geht, gerne auch noch »100 Jahre«.
In »Cooler als ich« gleicht Tom sein Swaglevel mit dem der Stars ab – aber auch, wenn ihm nicht alles so leicht von der Hand geht, ist alles gut. »Es ist okay, da ist immer jemand cooler als ich / doch für mich ist alles cool wie es ist.« Denn am Ende ist es scheißegal, ob Kanye West in seinem Parker jetzt fresher aussieht oder irgendeinem dahergelaufenen Eumel die Sonnenbrille besser steht. Und »Serena« ist die längst überfällige Funk-Hymne auf die sexiest Tennispielerin alive, die scheinbar nicht nur Drake sondern auch den beiden Jungs mit ihrem Leopardenbikini den Kopf verdreht hat.
Die eingangs erwähnte Experimentierfreudigkeit der Jungs spiegelt wohl am besten das beschwipste »Don Quichotte« wieder. Während Tom Thaler von seinen nächtlichen Streifzügen berichtet, mischt Basil im bouncigen Beat eine Mülltüte voller Kronkorken als Shaker, mit dem Summen einer elektronischen Zahnbürste. »Solche Dinge wollen wir ab jetzt noch viel öfter machen: Einfach spontan loslegen und gucken was kommt – selbst, wenn man dafür Alltagsgegenstände im Arrangement verbaut.« Oder die lasziv stöhnende Tonspur eines alten Gina-Wild-Pornos. Oder die Beleidigungskalimba – auf »Malu« wimmelt es nur so von diesen sympathischen Details.
Apropos, was hat es eigentlich mit diesem kryptischen Titel auf sich? »In Teilen Indonesiens bedeutet dieser Begriff ursprünglich so etwas wie Schüchternheit und Demut. In die TT&B Welt transportiert, steht ›Malu‹ vor allen Dingen für Ehrlichkeit und die Zufriedenheit mit sich selbst. Statt zu versuchen den Swag mit Schuhlöffeln in uns hineinzufressen, zeigen wir uns so, wie wir sind – samt Fehlern, Ängsten und Adiletten mit vier Streifen.« Und Basil ergänzt: »Wir haben über Wörter nachgedacht, die unseren Sound gut beschreiben – und dieser neue Begriff hat da wie die Faust aufs Auge gepasst.« Recht haben die beiden.
Fotocredit: Basti Mowka